Das Stück „Einer spinnt immer“ sorgt derzeit auf dem Dresdner Theaterkahn für große Unterhaltung. Dabei zeigen die Darsteller Rose Vischer, Tom Quaas und Felix C. Voigt, dass Clowns unterschätzt werden. Doch auch das Publikum ist gefordert.
Rose Vischer, Tom Quaas und Felix C. Voigt als „Clowns“ in der Inszenierung von Renat Safiullin
Foto: Carsten Nüssler
Von Gabriele Gorgas, Dresdner Neueste Nachrichten, 07. Februar 2018
So ein wenig Ausruhen vom Trubel der Ereignisse, das wünscht sich doch jeder. Und nichts ist in den Künsten so kompliziert, wie mit Leichtigkeit, einer gewissen Noblesse und Gewitztheit auch noch unterhaltend zu sein. Was sich am Elbufer speziell das Dresdner Brettl auf dem Theaterkahn, wo man selbst in kalten Tagen warm, trocken und bestens aufgehoben ist, längst auf die Fahnen geschrieben hat. Die jüngste Uraufführung mit Rose Vischer, Tom Quaas und Felix C. Voigt als „Clowns“ in der Inszenierung von Renat Safiullin sorgt dabei für eine Art wohliges Gefühl, wo Kopf und Sinne frei sind für ein Genießen, Mitdenken, Nachdenken und vor allem auch für das Staunen.
Wer könnte das wohl besser hervorzaubern als eben Clowns, die entgegen mancher Redewendung wahrhaft keine bloßen Spaßmacher sind. Und schon gar nicht solche, wo man den Verstand getrost an der Garderobe mit abgeben kann. Die wahren Clowns – egal in welcher Szenerie – haben etwas unbeschreiblich Kostbares zu bieten, diese enorm schwierig zu handhabende Leichtigkeit. Und jene, die sich jetzt dafür mit wirren Haaren und grotesker Aufmachung zusammengerauft haben, kennen sich bestens und sind auch dem Publikum längst bekannt. Zum Beispiel von Quaas-Produktionen wie „Faust ohne Worte“ oder „Beethoven ohne Musik“. Sämtlich eigenwillige Schauspieler. Mit der Besonderheit, eben auch Clowns sein zu können.
Zu Beginn steht Tom Quaas auf der kleinen Brettl-Bühne mit Seil und Schlinge, legt sich diese um den Hals, erwägt das Mögliche. Doch da ist kein Balken. Und als er seine Strippen zieht, hat er zwei weitere Unglücksraben in Schlingen eingefangen, und alle drei schauen nun ratlos-sinnend in die Runde. Was tun? Und wie? Und warum? Wer weiß das schon so genau. Doch ihnen ist an diesem Abend reichlich viel dazu eingefallen, gemeinsam mit Regisseur Renat Safiullin, der auch zu den Quaas-Bündnissen gehört. Gewissermaßen eine weitgreifend kunterbunt-begabte Seilschaft, die sich schon wiederholt aus Schwierigkeiten herausgehievt hat. Wie ja überhaupt die Existenz freischaffender Bühnenkünstler, Regisseure und dergleichen mehr stets mannigfache Risiken in sich birgt. Das ahnt und weiß man spätestens dann, wenn sie bei dieser Uraufführung in ihre leeren Hosentaschen nach dem letzten Franc abtauchen, um ihn in eine der absurden Wetten einzubringen.
Manche dieser Clowns-Geschichten kennt man schon. Es sind alte und neue, bekannte und unbekannte. Und das Trio erzählt sie auf eigene Weise, lässt dabei Luftballons aufsteigen, verwandelt sich in Windeseile, stolpert, stolpert immer wieder… Natürlich voraussehbar, aber dennoch überraschend. Und zudem sind diese Gestalten auch noch sangesfreudig, dass es zum Dahinschmelzen ist.
Der vieldeutige Untertitel zu „Clowns“ ist übrigens bestens gewählt: Einer spinnt immer. Denn so ist es tatsächlich. Kaum endet der Faden einer Geschichte, wird der nächste auch schon angeknüpft. Und sie alle, Safiullin nicht minder, sind ausgewiesene „Spinnmeister“. Dabei ist das Ganze so miteinander verwoben, dass jeder seine Trümpfe auch voll ausspielen kann, ohne dabei den anderen in die Quere zu kommen, ihnen die Show zu stehlen.
Tom Quaas, der als August mit Kugelaugen unschuldig in die Welt schaut und ebenso tonangebend mächtig auftrumpfen kann, spielt hinreißend jene Story von der schlafwandelnden Frau des anderen, deren nächtliche Beute der Gatte am nächsten Tag jeweils den Betroffenen zurückbringt. Wunderbar diese Treppennummer und Pointe, das hintergründig-treuherzige Wiederholen der Standardformulierungen. „Wie man sich doch täuschen kann!“
Die Schweizerin Rose Vischer, ganz offenbar auch erprobt als Seiltänzerin, bekommt beispielsweise ihren Spieluhr-Schwanenauftritt und erweist sich als beherzte Chansonette. An die Piaf muss man sich ja erstmal herantrauen können, wollen, dürfen. Und zudem noch dieser unglaubliche Felix C. Voigt, der schon immer mal zu überraschen wusste. Während die beiden anderen dem aufgemotzten „Radio-Koffer“ diverse Klänge und Ansagen zu entlocken suchen, wagt Voigt die wahnwitzige Unmöglichkeit, dem Schnarren, Zwitschern, Poltern, Säuseln seine Stimme zu verleihen. Das gelingt ihm großartig. Und markant singen kann er übrigens auch noch.
Was rundum darauf verweist, dass das eben keine Clowns mit gewissen Sprechqualitäten, sondern ausgefuchste, erfahrene, besondere Schauspieler sind mit einer großen Bandbreite an Fähigkeiten. Ob sich die Besucher an diesem Premierenabend auch wahrhaft amüsiert haben? Natürlich! Zumindest die Mehrzahl. Vielleicht nicht immer zur gleichen Zeit und an gleicher Stelle, aber doch ganz offensichtlich. Und das mal laut, mal leise, manchmal eher vorausschauend, dann wieder rückblickend. Zudem mussten ja alle auch die Rätsel mit lösen. Das kann schon herausfordernd sein. Zum Beispiel die Frage: ist nicht mein Bruder und ist nicht meine Schwester, aber das Kind von meinem Vater und meiner Mutter. Wer ist das? Sie haben es uns verraten. Glücklicherweise. Und damit fängt dann auch immer die eigentliche Geschichte an. Einer spinnt immer. Weiter und weiter.