Peter Kube spielt in „Der Kontrabaß“ von Patrick Süskind auf dem Dresdner Theaterkahn
Von Christian Ruf, Dresdner Neueste Nachrichten vom 28. August 2017
Nein, er ist nicht neidisch, er hat nur einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn – und der sagt ihm, dass etwas gewaltig schiefgelaufen ist bei ihm im Leben. „Können Sie mir sagen, wieso ein Mann meines Alters mit einem Instrument zusammenlebt, das ihn permanent behindert?“, wendet er sich fragend ans Publikum, aber das bleibt stumm. Das Instrument, das ihn behindert, ist ein Kontrabass. Und es hängt in Holger Böhmes Inszenierung von Patrick Süskinds populärem Theatermonolog an der Decke – es schwebt wie ein Damoklesschwert über Peter Kube, der den einsamen, verbitterten Künstler spielt. 13 Jahre ist das jetzt her, dass Friedrich-Wilhelm Junge zuletzt den mäßig begabten Musiker gab, der sein Instrument und seinen Beruf aus tiefster Seele verabscheut – Zeit also für eine Neuinterpretation auf dem Theaterkahn. Die Zimmerebene wie auch das Fenster sind schief wie expressionistische Ufa-Filmkulissen aus alten Stummfilmzeiten (Bühne: Carsten Nüssler), man könnte es als Sinnbild für die Schieflastigkeit des Lebens dieses Kontrabassisten sehen.
Anfangs hatte das namenlose Tutti-Schwein, das aus Rache wie aus einem Anfall von Aufbegehren heraus im Konzert gern auch mal ein paar Noten unterschlägt (wie es überhaupt gängige Praxis im Graben ist, am „maßlos überschätzten“ Dirigenten „vorbei oder über hinweg zu spielen“), ja noch die Vorzüge des Kontrabasses gepriesen und die eigene Unersetzbarkeit im Orchester betont. Dann aber werden die anfänglichen Lobreden auf das sperrige Instrument immer widersprüchlicher und schlagen schließlich ins Gegenteil um: Es ist der pure Hass, der sich – geschuldet vielleicht auch dem zunehmendem Bierkonsum (der Griff zur Flasche erfolgt natürlich nur wegen des „Flüssigkeitsverlusts“) – Bahn bricht. Jedenfalls, was den Kontrabass angeht. Aber auch was die tiefen Gefühle und erotischen Fantasien betrifft, die die wesentlich jüngere Sopranistin Sarah in ihm wecken, macht sich der zutiefst gefrustete Musikus Luft, der davon überzeugt ist, dass er nicht so schlecht aussieht, wie er spielt.
Es sind nicht zuletzt die vielen kleinen Spitzen auf den Orchester- und Opernbetrieb („im Orchester gibt es keine Hoffnung, … gehen Sie nie in ein Orchester!“) sowie die Attacken auf zwei Säulenheilige des Bildungsbürgertums, die dem Stück seinen Reiz verleihen. Mozart? Überschätzt! Wagner? Dessen Partituren strotzen doch nur so von Fehlern und Ungereimtheiten! Zweimal fällt auch der Name Christian Thielemann, womit Kube und Regisseur Holger Böhme dem Dirigenten zwar einerseits Reverenz erweisen, andererseits aber auch lästern, schon weil Kube mit einem imaginären Taktstock fuchtelnd den Dirigenten bei der ersten Nennung als „Gastluftverteiler“ apostrophiert.
Kube kostet die tragische Komik des Stückes voll aus, begeht erfreulicherweise nicht den Fehler, dem Affen allzu viel Zucker zu geben. Nur ein oder zweimal verfällt er in Zwingertrio-Manier darauf, die erste Reihe durch den Kakao zu ziehen. Alles in allem gelingt es ihm gut, mit Tempi und Dynamik des Stücks geschickt und routiniert spielend, eine an sich eher unsympathische Figur so liebevoll zu zeichnen, dass man nicht umhin kann, sie verständnisvoll ins Herz zu schließen, einfach weil man sich in all den un(aus)gelebten Träumen wiedererkennt, auch wenn man eher nicht verzweifelt und vereinsamt ist.