Friedrich-Wilhelm Junge und das Michael-Fuchs-Trio zelebrieren weisen Abend auf dem Theaterkahn Dresden
Friedrich-Wilhelm Junge mit minimalistischem Bühnenbild. Bei der Premiere von „Der Zauberlehrling oder Wir wollen sein wie Gott“ steht er hinter einem Gazevorhang, auf den Bilder projiziert sind. (Foto: Carsten Nüssler)
von Elmar Mann
Alle Elemente, aber vor allem viel Wasser, sprudeln im jüngsten Theaterkahn-Programm. „Der Zauberlehrling oder Wir wollen sein wie Gott“ heißt Friedrich-Wilhelm Junges neuer Soloabend, der noch am Abend zuvor, als die Elbe unter der schwimmenden Bühne auf 5,15 Meter anstieg und das Terrassenufer kurz gesperrt ward, leicht ins Wanken geriet. Doch bei grünen 4,92 Metern am Folgeabend war die Premiere am Sonntag gesichert, bis 5,65 Meter kann und darf Publikum aufs nicht nur im Kulturkalender fest verankerte Musenschiff.
Verteilt auf sechs Episoden bildet eine eigenwillige Version des grimmigen Märchens „Vom Fischer und seiner Frau“ den Rahmen, wobei der Butt auch Kaiser, Papst und Gott kann – ohne dass es die raffsüchtige Fischersfrau merkt. Junge schert sich nicht um Alter und Konventionen, sondern klaubt sich 28 einzelne Texte zum Thema aus der Weltliteraturgeschichte, angefangen von der Bibel bis hin zum Witz vom Schäfer und dessen Unternehmensberater. Nach Grimm und Goethe, der neben dem „Zauberlehrling“ auch „Prometheus“ stiftet, und bekannten Junge-Favoriten wie Kästner, Tucholsky, Schwitters oder Sergej Michalkow („Der Hase im Rausch“) gehört der Abend vor allem Peter Ensikat mit sechs Nummern, neu vertont von Michael Fuchs. Aber auch Novalis, Erasmus von Rotterdam, Böll, Enzensberger oder Fontane gehören zum durchweg hintersinnigen Kanon. Der einzige Nicht-Fuchs-Musiktitel stammt vom Duo Brecht/Weill, handelt „Von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ und gerät ebenso zum spielerischen Höhepunkt wie Stanislaw Stratiews „Monolog des Beamten“ oder Horst Scheibners „Der Maulwurf“.
Auswahl und Buch stammen von Junge und Traute Schölling, die Regie lag in den dezenten, aber genauen Händen von Holger Böhme. Dieser musste nicht viel tun, um den großen, erfahrenen Maestro, dem ob seiner Aura selbst eine Telefonbuchlesung spannend und seriös gelänge, der aber seine zunehmende Weisheit zum Glück auf die Bühne trägt, einen würdigen Rahmen zu geben: Junge, inzwischen in seiner 52. Spielzeit seit dem Schauspielstudium, braucht kein Kostüm und genoss das Heimspiel auf dem Kahn, auf dem er bis vor acht Jahren noch selbst Intendant war und dessen Urform, das Dresdner Brettl, er vor knapp 25 Jahren gründete. Hier feierte er große Erfolge, in gleicher künstlerischer Konstellation läuft seit über zwanzig Jahren sein Kästner-Abend, danach folgten Oden an Ringelnatz und Tucholsky und sein großer Dostojewski-Monolog „Der Traum eines lächerlichen Menschen“ 2007 als Gastspiel in der Dreikönigskirche. Vor drei Jahren arbeitete er sich an deutscher Volksbefindlichkeit und den Themen Hans und Glück ab, nun folgte zwei Wochen vor der eigentlichen Uraufführung im Leverkusener Bayer-Kulturhaus die Präsentation des neusten Werkes.
Bühne und Lichtregie stiftete dabei Carsten Nüssler. Er baute zwei Podeste mit je drei Stufen: ein rotes, rechts vorn, mit Lesethron – von Junge in allen möglichen Posen besessen – und ein schwarzes hinten mittig, wo der Schauspieler mittels Gestalt, Gesicht und Händen hinter den geschickten Grafiken von Steffen Knopek agiert, die auf den davorliegenden, ohne Licht unsichtbaren Gaze-Vorhang projiziert werden. Dazu braucht es nur eine innen beleuchtete und vergoldete Mülltonne und eine zeigerlose Bahnhofsuhr, die auch als Sonne, Mond oder Bullauge funktioniert.
Einziges Manko bei der Dresdner Premiere waren die Duett-Gesänge zwischen Fuchs und Junge, die noch nicht perfekt abgestimmt waren, was auch daran lag, dass Michael Fuchs mit Mikro verstärkt sang, Junge natürlich ohne akustische Verstärkertechnik. Ansonsten wartet ein feines, klassisches Nummernprogramm für gediegene Bildungsbürger – reichlich zwei Stunden (und drei Zentimeter Elbpegelrückgang) anspruchsvolles Kabarett mit Tiefgang für die Hälfte des Eintrittspreises komischer, aber nie witziger Klamaukhelden an anderen Bühnen im Umfeld.
Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 05.02.2013.
© DNN-Online, 04.02.2013, 18:59 Uhr